2. Februar 2017 / / Agency
Es schlägt 18:00 Uhr bei grasundsterne. Nach und nach fahren die ersten Rechner runter, erste Lichter gehen aus. Manch einer macht sich auf den Nachhauseweg, und doch: viele bleiben. Kein gewöhnlicher Feierabend bahnt sich an. Die Theke füllt sich mit Leben, mit Leuten, mit Wein- und Biergläsern. Sogar der ein oder andere ehemalige Mitarbeiter findet sich ein. Alle stürzen sich gierig auf Pizza. Deren Schicksal ist schnell besiegelt und die nächsten Opfer werden rasch ins Visier genommen: Nun geht es Popcorn, Chips und Gummibärchen an den Kragen.
Ein Beamer schaltet sich ein und taucht die Agentur in magisches Licht. Die Leinwand fährt herab. Mit vollen Bäuchen bewegt sich die Meute langsam von der Theke zu den Fatboys – und macht es sich auf ihnen und dem großen Teppich in der Mitte des Büros gemütlich. Könnte dieser sprechen, hätte er sicherlich Einiges zu erzählen. Von der ein oder anderen ausufernden After-Wiesn-Party, dem ein oder anderen famosen Weihnachtsfest oder schlummernden Kollegen, die es nach eben jenen oder vergleichbaren Festivitäten nicht mehr nach Hause geschafft haben. Nicht zuletzt würde er von einem der mittlerweile zahlreichen Filmabenden erzählen und ein solcher bildet auch heute den Anlass für das gemütliche Zusammenkommen. Wieder mal wird das Büro in ein geselliges Kleinkino verwandelt.
Ein inzwischen gewohntes Prozedere bei grasundsterne. Schon zum 18. Mal scharen die Art-Direktoren Jan Meyer und Ben Probst ein Publikum um sich. Seit nun schon über drei Jahren initiieren sie die nüchtern, aber liebevoll bezeichnete »GUS MOVIE NIGHT« und haben sich seither mit ihren Kollegen auf eine Reise durch alle Genres begeben. Dabei machen sie es mit ihrer Auswahl dem Publikum nicht immer ganz leicht. Zwar gibt es hier und da auch einfach zu verdauende Kost, doch meist wird Wert auf Anspruch gelegt. Natürlich lässt sich über Geschmack für gewöhnlich streiten, und da bildet auch der heutige Streifen keine Ausnahme.
Es wird ganz still. Die letzten Lichter gehen aus. »Toni Erdmann« eröffnet. Mit ihren Blicken gebannt auf der Leinwand, folgt das Publikum dem Hauptprotagonisten Winfried – einem Vater, der auf seine ganz besondere kauzige Art und Weise nichts unversucht lässt, wieder an seine entfremdete und karrieresüchtige Tochter Ines anzuknüpfen. Ein präzise beobachteter, mutiger, brillant gespielter, manchmal kaum auszuhaltender, aber beglückender Film. Der ganze Abend steht im Zeichen einer Vater-Tochter Beziehung weshalb auch der animierte Kurzflim »Father and Daughter» gezeigt wird. Eine traurige und doch herzerwärmende Ergänzung zum abendfüllenden Spielfilm.
Die »GUS MOVIE NIGHT« ist eine feste Institution geworden. Und doch ist es an diesem Abend für Jan und Ben – die sich selbst in ihrer Filmauswahl nicht immer ganz grün sind – nochmals eine interessante Erfahrung, wie subjektiv die Wahrnehmung bei verschiedenen Menschen doch sein kann. Auch »Toni Erdmann« spaltet grasundsterne in zwei Lager, wenngleich die Mehrheit dem Werk gegenüber doch sehr positiv gestimmt ist. Wie die Jury für den Oscar: Kürzlich nominiert geht „Toni Erdmann“ nun sogar ins Rennen um die Trophäe für den besten nicht-englischsprachigen Film.
Ob man „Toni Erdmann“ nun etwas abgewinnen kann oder nicht, ob der Film nun einen Oscar erhascht oder leer ausgeht: grasundsterne ist abermals um einen unterhaltsamen sowie die Agentur verbindenden Abend reicher. Und der Teppich um ein paar Popcorn und Gummibärchen. Tami, unsere Büro-Hundedame wird es ihm danken. Oder der nächste »unfreiwillige« Übernachtungsgast.