19. April 2017 / / Agency
Wie politisch darf es im Büro zugehen? Ist das Arbeitsumfeld ein geeigneter Ort, um sich mit dem Weltgeschehen auseinanderzusetzen? Wir bei grasundsterne tun es. „Was uns bewegt“ heißt eine Veranstaltung, die unser Mitarbeiter Ben Probst ins Leben gerufen hat, und bei der wir uns mit Themen beschäftigen, die uns bewegen. Hier ein Bericht von Ben über diese seine Herzensangelegenheit:
Wir als Kreative in der kunterbunten Werbewelt befassen uns tagtäglich mit Kommunikation, Marketing, Design. Meetings, Timings, Deadlines, Druckabnahmen, Bugfixings bestimmen dabei unter anderem unseren Alltag. Dabei verlieren wir manchmal den Blick für das eigentlich Relevante im Leben.
Trump, Syrien, Ukraine, Terroranschläge, illegaler Drohnenkrieg, Flüchtlingskrise & Co: Es passieren so viele komplexe Dinge in der Welt. Diese machen sich in einer Flut von News und Nachrichtenschnipseln, Twitterfeeds und Facebook-Posts bemerkbar. Sie geben uns das Gefühl, gut informiert zu sein. Doch der Schein trügt. Oft wissen wir nicht wirklich Bescheid. Denn so sehr wir unsere Kompetenzen im Bereich Marketing und Kommunikation auch perfektioniert haben mögen: Unsere eigentliche „Medien-Kompetenz“ haben wir dennoch in vielerlei Hinsicht verloren.
Wir verlassen uns oft blind auf unsere Volksvertreter und Mainstream-Medien und haben verlernt, gewisse Sachverhalte und Zusammenhänge zu hinterfragen. Bestes Beispiel ist die Berichterstattung über den Krieg in Syrien, den Regime-Change in der Ukraine oder über Deutschlands Funktion im NATO-Bündnis. Geopolitische Sachverhalte, mit denen ich mich persönlich seit einigen Jahren auseinandersetze und die für mich zu einer Herzensangelegenheit geworden sind.
Im Dezember des vergangenen Jahres besuchte ich in Berlin einen Vortrag von Dr. Daniele Ganser, einem Schweizer Historiker und Friedensforscher. Er setzt sich in seiner Arbeit mit Themen wie Energie, Krieg und Frieden aus einer historischen sowie geostrategischen Perspektive auseinander, was teils komplett neue Sinnzusammenhänge und Sichtweisen aufzeigt, welche man für gewöhnlich so in unseren Leitmedien lange suchen muss.
Aufgrund der Brisanz der erwähnten weltpolitischen Themen regte sich bei mir der Wunsch, mich mehr mit meinen Mitmenschen, Freunden und Kollegen über ebensolche Angelegenheiten auszutauschen und eine Aufzeichnung des Vortrags im Büro vorzuführen. Die Idee zu „Was uns bewegt“ war geboren und ein Go der Chefs, diesen bei grasundsterne zu realisieren, folgte bald darauf.
Und doch blieb bei mir die Frage: Begibt man sich im Büro mit sowas nicht auch auf dünnes Eis? Ein wenig, ja. Denn natürlich gibt es Befindlichkeiten und unterschiedliche Sichtweisen. Jedoch: Wir befassen uns als Kommunikations-Agentur tagtäglich mit kommunikativen Problemstellungen – da kann es doch eigentlich nicht schaden, auch im beruflichen Umfeld mal gewohntes Terrain zu verlassen und einen Blick über den Tellerrand zu wagen. Gansers Forschungsergebnisse werden in Mainstream-Kreisen durchaus heftig diskutiert und machen ihn hier und da zu einer Zielscheibe. Doch jeder, der sich intensiv mit ihm, seinen Vorträgen sowie seinen Publikationen auseinander setzt, kommt meines Erachtens nicht umhin, ein Stück weit sein eigenes Weltbild und die damit zusammenhängende Medienkompetenz zu hinterfragen.
Und hier kommen wir auch wieder zurück zu unserer eigenen Branche: Die eigene Medienrezeption kritisch zu beobachten, neue Perspektiven zu wagen und Informationen achtsamer zu konsumieren, kann nicht schaden. Eine spannende Angelegenheit, die bei unserer internen Veranstaltung auf reges Interesse stieß. Der Vortrag kam überaus positiv an und mündete in einer angeregten Diskussion. Für mich ein Erfolg, der mich zufrieden stimmte. Und auch für grasundsterne ein Gewinn, denn zum einen bereichern solche gedanklichen Exkursionen durchaus den Agenturalltag, und zum anderen wächst das Team im gegenseitigen Austausch auch ein Stück zusammen. Zudem tut es auch nicht weh, einen Blick über die oft oberflächliche Werbewelt hinaus zu riskieren und sich selbst und seine Arbeit nicht ganz so wichtig zu nehmen. 😉